Die Seekuh

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Die Seekühe oder Sirenia sind eng mit den Elefanten verwandt. Foto: © Ortwin Khan

Seekuh (Sirenia)

Unvermittelt taucht ein kompakter, grauer Schatten im Wasser auf. Luftbläschen erreichen blubbernd die Oberfläche und plötzlich erscheint eine knautschige Nase mit borstigen Haaren. Zum Glück handelt es sich um keinen Alligator, sondern um eine harmlose Seekuh. Die neugierigen Tiere wurden früher von Seefahrern für Meerjungfrauen gehalten. Ihr Fleisch ist bis heute sehr begehrt. Durch die intensive Bejagung starb deshalb die Stellersche Seekuh innerhalb von nur 27 Jahren vollständig aus.

Evolution der Seekühe

Seekühe (Sirenia) bilden eine Ordnung pflanzenfressender Säugetiere, die in Flüssen, Sümpfen, marinen Feuchtgebieten und küstennahen Meeresgewässern zu finden sind. Evolutionsbiologisch stammen sie von Landsäugetieren ab, die auf der Erde vor etwa 60 Millionen Jahren beheimatet waren. Diese Tiere lebten vor allem in flachen Sumpfgebieten und passten sich langsam an das Element Wasser an. Die nächsten Verwandten der Seekühe sind die Elefanten. Heute gibt es nur noch zwei Familien, die sich auf insgesamt vier Arten verteilen. Karibikmanati, Amazonasmanati sowie der Afrikanische Manati gehören zur Familie der Rundschwanzseekühe (Trichechidae). Von den Gabelschwanzseekühen (Dugongidae) ist das einzige noch existierende Mitglied der Dugong. Stellers Seekuh, ein anderer Vertreter der Dugong-Spezies, wurde kurz nach der Entdeckung im Jahre 1768 vermutlich von Robbenjägern ausgerottet.

Verbreitungsgebiete

Das Verbreitungsgebiet der Dugongs erstreckt sich von den Küsten Ostafrikas über Australien bis zum Inselgebiet von Vanuatu in Melanesien. Auch im Roten Meer treffen Taucher mit etwas Glück auf einen Dugong. Die größten Populationen leben an den australischen Küsten vor allem in der Shark Bay. Karibikmanatis sind im Golf von Mexiko sowie in den Küstengewässern der Karibik, Venezuelas und Brasiliens beheimatet. Der Amazonasmanati ist in einigen Zuflüssen und Nebenflüssen des Amazonas sowie dem Hauptstrom selbst zu finden. Die Tiere bevorzugen als Habitate Lagunen, Altwasser und Schwarzwasser. Mangroven, Sümpfe, Flüsse und deren Mündungsgebiete in Westafrika bilden den Lebensraum Afrikanischer Manatis. Entlang der Atlantikküste vom Senegal bis nach Angola sind sie ebenfalls heimisch.

Seekuh Steckbrief

Seekühe leben vor allem in flachen Sumpfgebieten. Foto: © Ortwin Khan

Wissenswertes über Seekühe

Seekühe sind Säugetiere und leben ausschließlich im Wasser. Sie haben eine torpedoartige Körperform mit einem langen Rücken, der sich zu einem abgeflachten, fischähnlichen Schwanz verjüngt. Die Familie der Rundschwanzseekühe besitzt eine spaten- oder kreisförmige Schwanzflosse, während die Fluke der Dugongs ähnlich wie bei den Delfinen eine Halbmondform aufweist. Erwachsene Tiere haben eine Körperlänge von 2,5 bis 4 Metern und wiegen zwischen 1.000 und 1.500 Kilogramm. Mit rund 400 Kilogramm sind Amazonasmanatis die Leichtgewichte unter den Seekühen. Die durchschnittliche Lebenserwartung aller Arten liegt zwischen 50 und 70 Jahren.

Seekühe bewegen sich in der Regel langsam und gemütlich im Wasser. In kurzen Sprints können sie allerdings Geschwindigkeiten bis zu 25 Stundenkilometer erreichen. Etwa acht Stunden verbringen die Tiere jeden Tag damit, Seegras, Algen, Blätter von Mangrovenbäumen oder sonstige Wasserpflanzen zu fressen. Dabei verschmähen sie auch die Wurzeln der Pflanzen nicht. Ähnlich wie bei den Elefanten, werden abgenutzte Zähne kontinuierlich ersetzt (horizontaler Zahnwechsel). Fünf bis 10 Prozent ihres Körpergewichts nehmen Seekühe täglich an Nahrung auf. Sie sind ständig auf der Suche nach etwas Fressbarem und haben kein festes Revier. Es dauert etwa sieben Tage, bis die Nahrung komplett durch das Verdauungssystem gewandert ist. Amazonasmanatis sind in der Lage, bis zu 200 Tage zu fasten. Dadurch können sie den Mangel an verfügbarer Nahrung in der Trockenzeit überleben.

Da sich Seekühe hauptsächlich von Seegras ernähren, schwimmen die Tiere in der Regel ein bis drei Meter unterhalb der Wasseroberfläche. Alle zwei bis vier Minuten tauchen sie auf, um Luft zu holen. Der längste dokumentierte Tauchgang einer Seekuh betrug 18 Minuten.

Seekühe und Meerjungfrauen

Der Name Sirenia für Seekühe leitet sich von den Sirenen ab, die auch als Seenymphen oder Meerjungfrauen bezeichnet werden. In verschiedenen Kulturen erzählen zahlreiche Mythen von sagenhaften Fischmenschen. Vermutlich handelt es sich dabei um Seekühe. Aufgrund der Brustzitzen, die an einen weiblichen Busen erinnern, und ihres fast menschlich wirkenden Gesichts könnte tatsächlich aus der Entfernung eine Verwechslung auftreten. Als Christoph Columbus 1493 im Golf von Mexiko auf Karibikmanati traf, zeigte er sich enttäuscht und notierte in seinem Logbuch: Die viel besungenen Meerjungfrauen sind bei Weitem nicht so schön wie von dem römischen Dichter Horaz beschrieben.

Seekuh

Meerjungfrau mit Stoppelbart. Foto: © Ortwin Khan

Fortpflanzung

Seekuh Baby

Seekuh Baby. Foto: © Ortwin Khan

Seekühe sind Einzelgänger und gehen in der Regel keine sozialen Bindungen ein. Weibliche Tiere haben mehrmals im Jahr einen Eisprung und ziehen in dieser Zeit Gruppen von Männchen an. Das Weibchen weicht immer wieder aus, während sich die Gruppe der männlichen Seekühe teilweise wochenlang in der Nähe aufhält. Dieses Verhalten dient vermutlich dazu, einen geeigneten Partner für die Paarung auszuwählen. Teilweise finden sogar Kämpfe unter den Bewerbern statt, bei denen einige Tiere Narben davontragen.

Die Schwangerschaft dauert bei Seekühen zwischen 12 und 14 Monaten. Zur Geburt begeben sich die Weibchen bevorzugt in flache Gewässer. Manchmal ist der Wasserstand so gering, dass sie auf die Flut warten müssen, um wieder zurückschwimmen zu können. Normalerweise gebären Seekühe ein einziges Kalb mit einem Gewicht von 10 bis 30 Kilogramm. Das Jungtier schwimmt selbst zur Wasseroberfläche, um seinen ersten Atemzug zu machen. Manchmal benötigt es dabei allerdings etwas mütterliche Hilfe. Das Kalb wird für rund 18 Monate gesäugt und hält sich auch danach noch für einige Zeit in der Nähe seiner Mutter auf. Im Alter von drei bis zehn Jahren erlangen Seekühe die Geschlechtsreife.

Stellers Seekuh

Die ausgestorbene Stellersche Seekuh stellte die größte Art dar, die jemals den Planeten bevölkerte. Sie hatte eine Länge von etwa acht Metern und wog bis zu elf Tonnen. Detaillierte Beschreibungen gehen auf den deutschen Arzt und Naturforscher Georg Wilhelm Steller zurück, der die Tiere im Jahre 1741 auf einer Expedition in den Küstengewässern des Beringmeeres entdeckte. Im Gegensatz zu den heute lebenden Arten, die in den Tropen verbreitet sind, lebte die Stellersche Seekuh in polaren Gewässern.

Die Meeressäuger hatten eine bis zu 7,5 Zentimeter dicke, dunkelbraune Haut, die eine baumrindenartige Struktur aufwies. Aus diesem Grund trugen sie auch die Bezeichnung Borkentiere. Zur Isolation gegen die Kälte besaß die Stellers Seekuh zusätzlich eine ausgeprägte Fettschicht. Die gegabelte Schwanzflosse hatte eine Breite von beinahe zwei Metern. Neben ihrer Größe unterschied sich die Stellersche Seekuh von den anderen Arten vor allem durch die zurückgebildeten Kauwerkzeuge. Anstelle von Zähnen waren zwei hornige Kauplatten vorhanden, mit denen sie den Seetang zerkleinerte.

Stellers Seekühe bildeten wahrscheinlich größere Herden von einigen Hundert Tieren. Dadurch konnten die Jungtiere gut vor Haien oder Killerwalen geschützt werden. Es gibt Hinweise darauf, dass männliche Seekühe die Raubfische sogar direkt angriffen. Wissenschaftler vermuten, dass die Tiere monogam in kleinen Familiengruppen innerhalb der Herde lebten. Wenn einer der Elterntiere starb, hielt sich der andere noch für einige Tage in der Nähe des toten Partners auf.

Seekühe Bilder

Die Madonna mit dem Kinde. Foto: © Ortwin Khan

Seekühe sind durch den Menschen bedroht

Die Seekuh hat einige natürliche Feinde. Dazu zählen je nach Verbreitungsgebiet Kaiman, Jaguar, Krokodil, Killerwal und Tigerhai. Der gefährlichste Feind ist jedoch der Mensch. Alle Seekuharten werden heute von der IUCN als gefährdet (vulnerable) angesehen. Neben der Jagd verringern vor allem Vergiftungen durch Umweltverschmutzung, die Zerstörung des Lebensraums, Krankheiten sowie tödliche Verletzungen durch Schiffsschrauben die Populationen weltweit dramatisch. Viele der Arten sind bereits ausgestorben und den verbleibenden Seekuhfamilien droht dasselbe Schicksal.

Inzwischen gibt es umfangreiche Programme und gesetzliche Auflagen, um die Tiere zu schützen. Dazu gehören das Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES), das US-Artenschutzgesetz (ESA) sowie der Marine Mammal Protection Act (MMPA) der USA. Vor allem in Florida wurden besondere Schutzgebiete für den Karibikmanati ausgewiesen. Motorbootverkehr ist dort streng verboten. Allerdings können Touristen an manchen Stellen gemeinsam mit den Seekühen schwimmen.

Wir danken an dieser Stelle für das bereitstellen der Fotos:
· Taucher und Fotograf Ortwin Khan – Portfolio Fotocommunity

Video: Seekühe und Dugongs

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